Studie zur Aktienrente

Bundestagswahl 2025

Die Initiative Minderheitsaktionäre bewertet die Ampel-Koalition bezüglich der Aktionärsrechte

Der Koalitionsvertrag der Ampelkoalition enthielt ohnehin schon wenig in Bezug auf die Rechte von Aktionären. Einen Durchbruch konnte man mit den Protagonisten nicht erwarten. Dennoch sind die Erwartungen schwungvoll unterboten worden. Eine Gleichstellung der Aktionärsrechte bei virtuellen Hauptversammlungen wurde nicht erreicht. Viele Unternehmen, speziell im DAX, haben gezeigt, dass ihnen die Aktionärsdemokratie nicht wirklich am Herzen liegt. Löbliche Ausnahmen waren 2024 Adidas, BASF, die Deutsche Post, die Deutsche Telekom, Henkel, SAP und Symrise. Die Initiative Minderheitsaktionäre hatte sich in der Debatte neben einer Präsenz-HV auch für hybride Modelle eingesetzt. Diese müssen allerdings strukturell und technologisch so gestaltet werden, dass direkte Fragen und Rückfragen der Aktionäre an den Vorstand möglich sind, sowie Anträge in der HV gestellt werden können.
Die Initiative Minderheitsaktionäre hatte sich im Vorfeld der letzten Bundestagswahl dafür eingesetzt, die gesetzliche Rente durch eine kapitalgedeckte Komponente zu ergänzen. Leider ist aus der guten Idee einer echten Aktienrente nur ein Generationenkapital geworden, das mit einem jährlich steigenden Kapitalstock ab 2035 Gewinne aus einem staatlich geführten Fonds als kostendämpfende Maßnahme für den explodierenden Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rente dienen sollte. Allerdings ist durch das Platzen der Ampel diese Regelung des Rentenpakets II nicht mehr verwirklicht worden. Das gilt auch für das individuell geförderte Altersvorsorgedepot, welches bisher nicht vom Bundestag bestätigt wurde. Auch 2024 hatten die Befragten unserer von der forsa GmbH durchführten Umfrage die Einführung beider Regelungen befürwortet.
Seit Jahren mahnte die Initiative Minderheitsaktionäre eine Reform des kollektiven Rechtsschutzes an. Im Koalitionsvertrag wurde das, Anleger betreffende, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) als verbesserungswürdig beschrieben und eine Verbesserung versprochen. Im Sommer 2024 wurde das Gesetz endlich reformiert und entfristet. Es gibt gewisse Verbesserungen hinsichtlich der Fristen und der Klagefreiheit von Geschädigten. Dazu wurde das Beweisrecht punktuell umgekehrt, also etwas positives für Kläger, denen bisher wichtige Informationen vorenthalten werden.
Schließlich hat die Ampelregierung zwei Stufen eines Zukunftsfinanzierungsgesetzes (ZuFinG) auf den Weg gebracht. Diese sollen es Gründern und Investoren erlauben, sich einfacher am Kapitalmarkt zu finanzieren. Grundsätzlich sind die meisten Maßnahmen sinnvoll. Aus Sicht der Anleger ist aber die Rückkehr der Mehrstimmrechten zu kritisieren. Auch bei Delistings wurden ohne Not die Abfindungen zu sehr an den Börsenpreis gebunden, was oft zu unfairen Wertverschiebungen für die verdrängten Aktionären führt.

Grundpositionen zur Bundestagswahl 2025 für die Wahlprogramme der Parteien

Wir regen eindringlich an, die Anliegen der Aktionäre in Deutschland in die jeweiligen Wahlprogramme aufzunehmen. Dies ist nicht nur wichtig, weil diese eine signifikante Anzahl von Wählern darstellen, sondern es ist auch volkswirtschaftlich wichtig. Deutschland ist mit knapp 8 Prozent beim Aktienbesitz unterentwickelt. Viele Studien zeigen, dass höhere Aktivität des Einzelnen, aber auch des Staates am Kapitalmarkt, einen verbesserten Grad der Altersvorsorge und der sozialen Absicherung bringen. Der Staat kann nicht alles regeln. Die Umlagefinanzierung der gesetzlichen Rente ist an die Grenzen gestoßen. Es braucht eine spürbare Verbesserung der Aktienkultur in Deutschland. Dazu gehört, die Rechte von Aktionären deutlich zu verbessern. Dies ist von volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Übersicht

1. Beendigung des Rechteabbaus von Minderheitsaktionären und Einhaltung international üblicher Standards in der Hauptversammlung
Die wichtigsten Mitwirkungsrechte der Minderheitsbeteiligten (z.B. Anfechtungs- und Fragerechte) wurden sowohl vom Gesetzgeber als auch der Judikative seit vielen Jahren zunehmend eingeschränkt. Das hat dazu geführt, dass Deutschland beim Schutz von Minderheitsaktionären international auf hinteren Rängen eingestuft wird (Weltbank). Wir streben daher eine Beendigung des Rechteabbaus in der Hauptversammlung an. Dazu gehören auch die Wiederherstellung umfassender Frage- und Antragsrechte der Aktionäre, auch in virtuellen Hauptversammlungen. Die derzeitigen Einschränkungen sind nicht begründbar.
Wir plädieren für die verbindliche Einführung von hybriden Hauptversammlungen bei allen Hauptversammlungen von DAX und MDAX Unternehmen. Das heißt eine verpflichtende Präsenzveranstaltung mit der Möglichkeit auch online teilzunehmen. Wobei die Rechtssituation in beiden Varianten identisch sein sollte. Bei allen anderen Gesellschaften soll die HV grundsätzlich immer in Präsenz abgehalten werden, da sie die Basis der Aktionärsdemokratie sind.
Die Handhabung des Fragerechts ist bei der derzeitigen Ausgestaltung unbefriedigend. Die Initiative Minderheitsaktionäre plädiert dafür, die auch bei der Präsenzversammlung geltenden Regeln bei Fragen aus dem Aktionariat auch bei virtuellen Hauptversammlungen beizubehalten. Andere Länder zeigen, dass dies problemlos möglich ist. Im Sinne demokratischer Prinzipien auch in der Aktiengesellschaft wird zu eruieren sein, ob nicht die Übertragung weiterer Kompetenzen auf die Hauptversammlung im Rahmen internationaler Üblichkeit sinnvoll erscheint.
Eine Reform des Beschlussmängelrechts zulasten der Aktionäre lehnen wir ab. Bereits jetzt ist durch die Einführung des Freigabeverfahrens der Missbrauch der Anfechtungsklage gleichsam unbedeutend. Derzeitigen Bestrebungen das Beschlussmängelrecht faktisch abzuschaffen, dürfen in der kommenden Legislatur nicht gefolgt werden. Wir schließen uns der Ablehnung dieser Reform durch den Bundestag nach der Empfehlung des BT-Rechtsausschusses an.

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw39-de-beschlussmaengelrecht-1017718
2. Faire Anteilsbewertung bei Börsenrückzügen (Delistings) / Erhalt des Ertragswertprinzips bei der Bestimmung von Abfindungen.
Nach unserer Auffassung ist die derzeitige Abfindungsregel bei Delistings nach Börsenwert nicht angemessen. Der Begriff Börsenwert alleine ist schon irreführend. Die Börse bestimmt nicht den Wert einer Aktie, sondern nur deren gehandelten Kurs. Dieser kann innerhalb von Minuten sich ändern. Der Kurs einer Aktie ist überdies volatil und unternehmensfremden Einflüssen ausgesetzt. Zum Beispiel: Zu- oder Abverkäufe von großen Kapitalsammelstellen in Branchen oder bestimmten Indices.
Wir fordern deshalb eine Rückkehr zum Ertragswertprinzip bei der Bewertung von Aktienanteilen und keine ausschließliche Bewertung nach Börsenpreis für ausgeschlossene Aktionäre. Änderungen am Prinzip des Ertragswerts, beispielsweise durch das ZuFinG I&II, sollen wieder rückgängig gemacht werden. Der Börsenpreis ist kein verlässlicher Wert für die Feststellung der Höhe einer Abfindung bei verdrängten Aktionären. Diese verkaufen ja nicht freiwillig! Daher muss zwingend der Anteilspreis gesondert in einem Spruchverfahren ermittelt werden. Dies gilt nicht nur bei Delistings, sondern auch bei Squeeze-outs etc. Alles andere ist auch ein Verstoß gegen Art. 14 Grundgesetz.
14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum. Dazu gehört auch das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis gekennzeichnet ist (vgl. BVerfGE 100, 289 <301> m.w.N.)
Nach Beherrschungsverträgen, Übernahmen und Squeeze-Outs sollen die verbliebenen freien Aktionäre günstig „entsorgt“ werden können. Dadurch nimmt man ihnen ihre verfassungsrechtlichen Rechte! Ohne Ertragswertverfahren und anschließendem Spruchverfahren gibt es einen massiven Werttransfer von der Minderheit auf die Mehrheitsaktionäre. Das Ziel bei der Stärkung der Minderheitsrechte muss sein, die Teilhabe am Wirtschaftswachstum in Deutschland allen zu ermöglichen, und nicht nur nationalen und internationalen Großinvestoren. Ein fairer Interessenausgleich am Kapitalmarkt stärkt auch die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
Viele Wähler besitzen Aktien oder sind indirekt über Fonds bzw. ETFs im Rahmen ihrer Altersvorsorge in Wertpapieren investiert. Deren Eigentümerposition gilt es umfangreich zu schützen. Der Staat hat hier eine Schutzpflicht, die sich aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie ergibt. Auch darf es Gerichten nicht möglich sein, die Interessen von Minderheitsaktionären faktisch unberücksichtigt zu lassen, nur um Verfahren schneller „vom Tisch zu bekommen“.
Problem Delisting
Verschwinden Unternehmen von der Börse, bedeutet das für Kleinaktionäre oft finanzielle Einbußen. Derzeit wird es dem Mehrheitskapital zu einfach gemacht, Wertabschöpfungen bei den bisherigen Eigentümern vorzunehmen. Wenn man sich die Strukturmaßnahmen und Börsenrückzüge der vergangenen Jahre ansieht, geht der Wertverlust der Kleinaktionäre in die Milliarden. Das zeigen die Kursreaktionen auf die Ankündigung eines Delistings: Denn diese Werte koppeln sich sofort und deutlich von der allgemeinen Marktentwicklung ab.
3. Kapitalmarktkultur, Vermögensaufbau und Finanzbildung in Deutschland stärken
Wie oben erwähnt, krankt Deutschland an einer schwachen Kapitalmarktkultur. Der Einsatz gesparten Vermögens wird sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich nicht ausreichend genutzt. Das muss sich ändern! Gleichzeitig ist das Wissen über Finanzzusammenhänge schwach ausgebildet. 54 Prozent der Befragten in der 2024 im Auftrag der Initiative Minderheitsaktionäre durchgeführten Forsa-Umfrage glauben nicht, dass sie über genügend Finanzwissen verfügen, um richtige Anlagenentscheidungen für die Altersvorsorge zu treffen.
Die Aktie muss als Vorsorge- und Anlageinstrument für breite Schichten der Bevölkerung wieder attraktiver werden, denn in Deutschland ist die Sparquote spitze, das Finanzvermögen aber nur Mittelmaß im europäischen Vergleich –> wir bleiben hinter unseren Möglichkeiten. Knapp 60 Prozent der Deutschen halten mittlerweile Aktien, Aktienfonds und ETFs als Instrumente der Altersvorsorge geeignet. Das muss die Politik nutzen und viele Maßnahmen zur Stärkung der Aktie einleiten.
Die Möglichkeiten des Vermögensaufbaus als Teil der Altersvorsorge insbesondere für jüngere Generationen durch kapitalbasierte Rente müssen gestärkt werden:
Zentrale Punkte:
* Aufbau kapitalbasierte Rente in der gesetzlichen Rente / Generationenkapital Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend
* Weiterentwicklung der bAV hin zu einem Modell wie 401K in den USA, also freiwillige private Vorsorge
* Förderung der Individualisierte Aktienrente / “Altersvorsorgedepot” o.ä. so schnell wie möglich noch in dieser Legislaturperiode
4. Effektiver kollektiver Rechtsschutz für geschädigte Anleger
Die Initiative Minderheitsaktionäre setzt sich für die Einführung echten kollektiven Rechtsschutzes nach dem Beispiel ausländischer Sammelklagen (z.B. Australien, Kanada, USA) ein, insbesondere wenn seitens der Unternehmensleitung grob fahrlässiges oder vorsätzliches Fehlverhalten vorliegt. Die derzeitige Klagemöglichkeit von Anlegern allein über das Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG) ist langwierig, teuer und ineffektiv. Auch die kürzlich erfolgte Reform des KapMuG ändert darin wenig.
Eine neue Sammel- oder Gruppenklage sollte als eigenständige Klageform in die ZPO aufgenommen werden. Schluss mit den Insellösungen KapMuG, Musterfeststellungsklagen und Abhilfeklage!
Dabei soll Rücksicht auf Kernprinzipien des deutschen Rechts genommen werden, z.B. sollen Jury-Verfahren und Strafschadensersätze (punitive damages) ausgeschlossen werden. Das deutsche Kostentragungsprinzip (European Rule) würde zudem der Erhebung von sinnlosen und nur zur Schaffung eines Lästigkeitswerts dienenden Klagen präventiv entgegenwirken.
Wichtig: Vereinheitlichung der Klageformen und individuelle Klagebefugnis
Derzeit steht Verbrauchern nur die Musterfeststellungsklage zur Verfügung, die aber lediglich ein Feststellungsurteil zu bestimmten Schadensfragen vorsieht. Laut dem Gesetz müssen geschädigte Kläger danach Einzelklagen einreichen, um ein Leistungsurteil zu erstreiten. Ähnlich sieht es bei Anlegerklagen aus, die gemäß dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) durchzuführen sind. Das KapMuG soll geschädigten Anlegern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen erleichtern, indem es Musterverfahren wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen, etwa in Jahresabschlüssen oder Börsenprospekten, ermöglicht.
Beide angesprochenen Verfahrensarten sind mängelbehaftet und führen zu unbefriedigenden Ergebnissen. Es würde hier zu weit führen, sämtliche Mängel und Systemfehler der Musterfeststellungsklage und des KapMuG aufzuzählen. Stellvertretend sei hier hier Prof. Axel Halfmeier von der Leuphana Universität Lüneburg erwähnt, der angesichts einer zersplitterten Regelungslandschaft mit zahlreichen Inkonsistenzen und Unstimmigkeiten dafür ist, in den nächsten Jahren eine Neuregelung des kollektiven Rechtsschutzes auszuarbeiten, deren Anwendungsbereich das gesamte Zivilrecht umfassen sollte.
Zusammenfassend die Forderungen zum kollektiven Rechtsschutz:
* Gruppenklage für alle, also für Verbraucher UND Anleger
* Klagebefugnis nicht nur für Verbraucherverbände, sondern auch für unmittelbar Betroffene
* Pauschalierung und Typisierung der Schadensberechnung statt Einzelfallgerechtigkeit
* Zulassung von Prozessfinanzierung durch Dritte
* Erleichterung der Beweisführung für Kläger (Zugriff auf Beweismittel beim Beklagten nach richterlicher Verfügung, Einführung eines  Disclosure Proceeding nach englischem Vorbild)
* Erfolgshonorare für Rechtsanwälte

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