Die Altersvorsorge in Deutschland steuert mittelfristig auf einen Crash hin.
Insbesondere die Säule der gesetzlichen Rentenversicherung zeigt eine besorgniserregende Entwicklung. Die Zahlen sind erschütternd: im letzten Jahr überstieg der Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung bereits die Marke von 100 Milliarden Euro.
Schon in wenigen Jahren werden zwei Beitragszahler einen Rentner finanzieren müssen. Berechnungen zeigen, dass wenn nicht eingegriffen wird, der Bundeshaushalt 2050 zu knapp 60 Prozent von Rentenzahlungen aufgefressen werden wird. Diese Erkenntnisse sind aber leider nicht neu. Die demografische Entwicklung war bereits vor 30 Jahren absehbar, denn seitdem gab es sukzessive Leistungseinschränkungen bei einem bis dahin sehr komfortablen System. Die Einführung der Riester-Rente in 2001 sollte Abhilfe schaffen.
Erstmals wurde das Prinzip der Umlagefinanzierung angetastet: die sog. „Riester-Rente“ sollte als kapitalmarktabhängige (geförderte) Alterssicherung die gesetzliche Rente partiell ersetzen. Das Ziel den demografischen Wandel damit auszugleichen, wurde jedoch verfehlt, weil das Produkt teuer und umständlich ist. Dazu Gerhard Schick, Bürgerbewegung Finanzwende, in 2021: „Die Riester-Rente ist gescheitert. 20 Jahre lang wurde damit Rentenpolitik für die Versicherungslobby gemacht. Jetzt muss Schluss sein. Es braucht ein einfaches und kostengünstiges Vorsorgeangebot für die Bürger.“
Auf Betreiben der FDP wurde daher im Koalitionsvertrag der Ampelregierung der Einstieg in die Aktienrente beschlossen. Die Regierung will nun zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine „teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen”. Dies soll über einen dauerhaften Fonds geschehen, der global anlegt und „von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet” wird. Der Vorschlag der Koalition sieht nun vor, dass zunächst ein Kapitalstock von 10 Milliarden Euro an der Börse investiert werden soll. Langfristig gesehen soll sich diese im Verhältnis doch sehr geringe Summe dann erhöhen.
Die Initiative Minderheitsaktionäre hatte am 1. März 2023 in Berlin zum Thema „Aktienrente“ zu einem Parlamentarischen Kaminabend eingeladen, um über die Chancen eines kapitalbasierten Rentenelements zu diskutieren. In seinem Eingangsreferat stellte Prof. Jörg Rocholl von der ESMT (European School of Management and Technology) Beispiele anderer Länder vor, die bereits vor vielen Jahren Fondsangebote in ihre Rentenpolitik eingebaut hatten, etwa das schwedische Modell. Auf lange Frist führe ein reines Umlagesystem zu entweder einem Absenken des Rentenniveaus oder einem weiteren Steigen des Bundeszuschusses.
Insofern sei die Einführung einer Aktienrente folgerichtig. Dies hatte so auch der unabhängige Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums in einem Gutachten bestätigt, dem Prof. Rocholl vorsitzt. Demnach sei eine Aktienrente ein Mittel das Rentensystem zukunftssicher und generationengerecht zu gestalten.
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen neben Prof. Rocholl, PhD, auch Sepp Müller (CDU), MdB und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, sowie Moderator Dr. Arno Balzer teil. Dr. Florian Toncar (FDP), MdB und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, war für die Diskussionsteil vorgesehen, war aber wegen einer Sitzung des Haushaltsausschusses verspätet. Herr Dr. Toncar berichtete über den Stand der Dinge bei der Aktienrente und beantwortete noch einige Fragen der Teilnehmer.
Unser Kaminabend hat die Dringlichkeit der Reform des Rentensystems bestätigt.
Die aktuellen Pläne der Regierungskoalition sehen einen allzu moderaten Start vor, Gewinne des dafür einzurichtenden Fonds würden die Rentenkasse nicht vor 2035 entlasten. Diese geplante "Aktienrücklage" sieht bisher keine individuelle Vermögensbildung bei den Rentenversicherten vor. Dies sei aber noch nicht vom Tisch, wie Dr. Toncar versicherte. MdB Müller wies darauf hin, dass ein frühzeitiger Beginn der individuellen Kapitalanlage durch den Staat gefördert werden solle, was sich später durch langfristige Zinseffekte mindernd auf die Bezuschussung der Rente auswirken würde.
Dabei sind alle Grundvoraussetzungen für eine Aktienrente mit individueller Vermögensbildung gegeben. Das Grundvertrauen in den Kapitalmarkt sowie in die Effizienz der Kreditmärkte ist in Deutschland grundsätzlich gegeben, auch wenn es in der Vergangenheit zu einigen Finanzskandalen gekommen sei, Stichwort Wirecard. Ein Staatsfonds mit Opt-out Möglichkeit, der so politikfern wie möglich aufgestellt ist, würde dieses Vertrauen stärken.
Um eine breite Akzeptanz der Öffentlichkeit zu erreichen, wird es umfangreicher und klarer Kommunikation bedürfen. Stichwort: finanzielle Bildung. Das Bundesfinanzministerium und das Bundesbildungsministerium haben gerade Eckpunkte für eine Verbesserung der Finanzbildung in Deutschland vorgelegt. Der Koalitionsvertrag trug die Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“. Der Bürger sollte das auch im Bereich der Altersvorsorge spüren